Vor ein paar Tagen habe ich mir ein Fahrrad angeschafft. Meiner Meinung nach ist das in Großstädten das einzige vernünftige Fortbewegungsmittel. Man ist fast so mobil wie als Fußgänger und meistens schneller als im Auto – vor allem in der Rush Hour, wenn alle Autos zu metallenen, unbewegten Käfigen mutieren.
Nachdem ich den Preis gebührend heruntergehandelt hatte, schwang ich mich direkt auf den Sattel und fuhr 20 km mitten durch Bangkoks Rush Hour nach Hause. Das machte unerwartet viel Spaß. Es ist wie ein Hindernisparkour, der sich bewegt und verändert während man ihn versucht zu bewältigen. Man muss immer mit allen Sinnen seine ganze Umwelt wahrnehmen und versuchen, die Bewegungen aller anderen Verkehrsteilnehmer vorherzusehen, während man sich durch auftuende Lücken schlängelt.
Als ich endlich schweißgebadet zuhause ankam, schaute ich triumphierend das neue Fahrrad an und dachte „wir beide werden noch viel Spaß zusammen haben“.
So wie gestern. Gestern beschloss ich, eine Fahrradtour zu machen. Ich fuhr ein Stückchen am Fluss entlang, dann ganz in den Süden Bangkoks und auf eine Art vom Fluss eingeschlossene Halbinsel. Irgendwie artete das ganze zu einer 50 km Tour durch die Großstadt aus.
Es war heiß. Sehr heiß. Ich wollte unbedingt die Halbinsel erreichen, bevor ich wieder in die Innenstadt zurückfahren würde, um eine Freundin vom Bahnhof abzuholen. Für ein paar Kilometer musste ich dazu eine langweilige Hauptstraße am Stadtrand entlangfahren. Ich war unglaublich hungrig, was normalerweise in Bangkok nie ein Problem ist, da es an absolut JEDER Ecke Straßenstände mit einer himmlischen Variation gibt. An jeder Ecke, aber natürlich nicht an genau dieser endlos erscheinenden Hauptstraße. Weit und breit kein Heil versprechender Straßenstand zu sehen.
Ich strampelte weiter, die Sonne brannte mir Löcher in den Helm und mein Magen knurrte mit jeder Sekunde lauter. Im gleißenden Sonnenlicht entstand plötzlich eine übernatürliche Fata Morgana, die sich langsam materialisierte. Täuschend echt schien mir ein Obstverkäufer entgegenzulaufen.
Moment, ich muss euch erklären, was „Obstverkäufer“ in Bangkok bedeutet:
Unter allen Straßenständen, sind die Obststände die tollsten. In einem Glaskasten auf Rollen, liegen dicke Eisblöcke. Auf diesen wiederum sind mehrere Schichten der köstlichsten Obstsorten gelagert, zuckersüße Mangos, Ananas, Papaya, Wassermelone etc. Eine halbe Ananas, schon geschält und in Stücke geschnitten, kostet an den „teuren“ Ständen umgerechnet circa 50 Cent.
Ich legte eine glatte Vollbremsung hin und starrte den einsamen Obstverkäufer ungläubig an, der seinen Wagen die verlassene Straße heruntergeschoben hatte. Er grinste mich an und deutete fragend auf das Obst. Am liebsten hätte ich ihn umarmt, aber ich war mir immer noch nicht ganz sicher, ob er wirklich da war oder ich mir das nur vorstellte. Stattdessen deutete ich schnell auf die Ananas. Ich konnte mein Glück kaum fassen! Er verlangte 10 Baht, was nur die Hälfte des nomalen Straßenpreises ist, doch ich hatte dummerweise kein Kleingeld dabei und musste ihm einen großen Geldschein entgegenstrecken.
Er schüttelte den Kopf und zog die Schultern hoch. Er hatte auch kein Wechselgeld. Panisch kramte ich in meinen Taschen, suchte nach 10 Baht, die mich retten konnten. In meiner Hosentasche spürte ich eine Münze. Erleichtert zog ich sie heraus, musste aber feststellen, dass es sich nur um 5 Baht handelte. Ich war kurz davor aufzugeben und den Traum von der Ananas platzen zu lassen.
Da lächelte mich der Straßenverkäufer verständnisvoll an, schnappte sich die 5 Baht, drückte mir die mit köstlichen Ananasstücken gefüllte Tüte in die Hand, und schob seinen Obststand weiter die Straße entlang.
Verdattert stand ich am Wegesrand. Dieser Thai hatte gerade einer Touristin, die ZU VIEL Geld hatte, um ihn zu bezahlen, im Prinzip sein Obst geschenkt.
Manchmal ist die Freundlichkeit der Thais wirklich kaum zu glauben.