Australischer Slang ist teilweise herzzerreißend komisch. Anfangs lag ich manchmal fast auf dem Boden vor Lachen, als mir einige der Redewendungen erklärt wurden. Man kann es vielleicht ein bisschen vergleichen mit dem Klang von Schwäbisch oder Bayrisch für hochdeutsche Ohren.
Es ist ein Akzent, der fast niedlich klingt, wenn man amerikanisches und britisches Englisch gewohnt ist. Zudem ist australisches Englisch reichlich mit außergewöhnlichen Redewendungen gespickt.
Ein einfaches „thank you“ mutiert zu „cheers, mate!“ und ein simples „alright“ zu „righteo mate“. Allgemein ist sowieso jeder ein „mate“, egal, ob es der Polizist ist, der dir gerade einen Strafzettel verpasst, oder ein entfernter Bekannter, der dir im Supermarkt über den Weg läuft. Es kann dementsprechend entweder „Arschloch“ oder „bester Freund“ bedeuten, wobei die tatsächliche Bedeutung situationsabhängig ist, aber hinter dem „mate“-Schleier oft verborgen bleibt. Wortwörtlich könnte man es mit „Kumpel“ übersetzen. Ich bin immer etwas argwöhnisch, wenn mich ein Australier „mate“ nennt; man kann nie genau wissen, was dahinter steckt, und ob es gerade ironisch oder freundlich gemeint ist.
Einmal fragte ich meinen Mitbewohner in Launceston (Tasmanien) beim Abendessen, ob er noch ein Glas Wein wolle. Ich starrte ihn zuerst verständnislos an und rutschte dann fast vom Stuhl vor Lachen, als er mir mit „Oh well, we’re not here to fuck spiders!“ antwortete.
Doch wenn man die australische Farmlandschaft betritt, betritt man auch die Herrschaft des echten australischen Slang. Die Welt, in der auf den Worten herumgekaut wird, bis sie verunstaltet und bruchstückhaft wieder ausgespuckt werden.
Mein iranischer Kollege von der Milchfarm in Tasmanien, hat eine harte Hintergrundgeschichte. Zwei Jahre zuvor hatte er seine Familie in Iran als politischer Flüchtling verlassen und war nach Indonesien geflohen. Von dort aus hatte er eines der überteuerten, überfüllten Flüchtlingsboote nach Australien genommen. Die Geschichten, die er von dieser Fahrt erzählen kann, sind kaum zu glauben, aber er erwähnt sie so nebensächlich und gut gelaunt als wäre es nichts Besonderes. Glücklicherweise überlebte er die lange Fahrt, in der er sich auf einem winzigen Boot mit 60 Anderen drängte, das nur knapp einem Orkan entkam und schließlich die Nordküste Australiens erreichte.
Dort wurde er vorerst in ein Flüchtlingslager gesperrt, in dem er anfing, sich Englisch beizubringen. Er war ein studierter Mann und außerdem qualifizierter Milchfarmer, weswegen er nicht allzu lang dort bleiben musste, jedenfalls nicht verglichen zu einigen armen Seelen, die als „unskilled labourers“ schon jahrelang darauf hofften, mit einem Visum akzeptiert zu werden. Bald darauf verschlug es ihn nach Tasmanien, wo er anfing, Englischkurse zu besuchen. Außerdem fand er einen Job auf der Farm, auf der ich später selbst angestellt wurde.
Als ich Masoud kennenlernte, hatte er also erst vor knapp zwei Jahren mit dem Englischlernen begonnen, und beherrschte die Sprache trotzdem schon recht flüssig. Um mit dem Slang klarzukommen, der im Umkreis von Farmen immer unverständlicher wird, hatte er sich eine App auf sein Handy geladen, die eine Liste australischer Redewendungen alphabetisch aufführte.
Mein amerikanisch/deutscher Kollege Max und ich machten uns einen Spaß daraus, die Liste jeden Tag ein Stückchen weiter durchzulesen. Es war ein besseres Abendprogramm als jede Fernsehserie und meistens lustiger als jede Comedy.
Der Tag, an dem wir bei „j“ auf der Liste ankamen, sollte unser Farmleben verändern. Nichts ahnend machten wir uns über einige einfache Slangwörter lustig, ohne zu wissen, welch großartige Deformation englischer Sprache uns jeden Moment begegnen sollte.
„‘by jingoes‘“, las Max, „Ausdruck der Überraschung, erstaunter Ausruf“. Wir schauten uns einen Moment lang an und begannen dann, unkontrolliert zu loslachen. Es war die Art explosiven Lachens, das einen lawinenartig überrollt und durch reine Willenskraft nicht mehr zu stoppen ist.
„by.. by JINGOES!“, japste ich und hielt mir meine schmerzenden Bauchmuskeln.
Im Nachhinein sehe ich ein, dass es vielleicht nicht ganz so lustig war, wie ich zu dem Zeitpunkt dachte. Aber wenn man tagelang 12 Stunden pro Tag zwischen nervigen Kälbern und stinkenden Kühen in pausenlos nasser Kleidung verbracht hat und abends versuchen muss, so schnell wie möglich die angetrocknete Kuhscheiße unter einer eiskalten Dusche von der Haut zu schrubben, kann es schonmal passieren, dass sich die Grenzen verschieben zwischen „das ist ein Hochziehen der Mundwinkel wert“ und „unkontrollierter Lachanfall“.
Nach diesem Abend hatten wir kein Problem mehr mit Namensgebungen. Wir hatten schon seit einiger Zeit nach einem Namen für unseren stilvollen Farm-Ute gesucht - ein vollkommen verdreckter Pickup-Truck mit Kuhknochen auf der kaputten Ladefläche und im Fußraum. Von jetzt an hieß er „Jingo“.
Außerdem machte ich unser Standard-Farmessen unter meinen Freunden in der Stadt als „Jingo Pot“ bekannt. Im Prinzip ist der Jingo-Pot einfach nur jegliche Kombination aus in der Pfanne gebratenem Gemüse mit billigen Proteinen und Kohlehydraten.
Wenn es ein Problem gab, konnte man sagen „frag Jingo“ und wenn etwas schieflief, konnte man sicher sein, einen lautes „by jingoes!“ zu hören.
Jingo wurde Teil des Farmlebens.
Es ist ein Akzent, der fast niedlich klingt, wenn man amerikanisches und britisches Englisch gewohnt ist. Zudem ist australisches Englisch reichlich mit außergewöhnlichen Redewendungen gespickt.
Ein einfaches „thank you“ mutiert zu „cheers, mate!“ und ein simples „alright“ zu „righteo mate“. Allgemein ist sowieso jeder ein „mate“, egal, ob es der Polizist ist, der dir gerade einen Strafzettel verpasst, oder ein entfernter Bekannter, der dir im Supermarkt über den Weg läuft. Es kann dementsprechend entweder „Arschloch“ oder „bester Freund“ bedeuten, wobei die tatsächliche Bedeutung situationsabhängig ist, aber hinter dem „mate“-Schleier oft verborgen bleibt. Wortwörtlich könnte man es mit „Kumpel“ übersetzen. Ich bin immer etwas argwöhnisch, wenn mich ein Australier „mate“ nennt; man kann nie genau wissen, was dahinter steckt, und ob es gerade ironisch oder freundlich gemeint ist.
Einmal fragte ich meinen Mitbewohner in Launceston (Tasmanien) beim Abendessen, ob er noch ein Glas Wein wolle. Ich starrte ihn zuerst verständnislos an und rutschte dann fast vom Stuhl vor Lachen, als er mir mit „Oh well, we’re not here to fuck spiders!“ antwortete.
Doch wenn man die australische Farmlandschaft betritt, betritt man auch die Herrschaft des echten australischen Slang. Die Welt, in der auf den Worten herumgekaut wird, bis sie verunstaltet und bruchstückhaft wieder ausgespuckt werden.
Mein iranischer Kollege von der Milchfarm in Tasmanien, hat eine harte Hintergrundgeschichte. Zwei Jahre zuvor hatte er seine Familie in Iran als politischer Flüchtling verlassen und war nach Indonesien geflohen. Von dort aus hatte er eines der überteuerten, überfüllten Flüchtlingsboote nach Australien genommen. Die Geschichten, die er von dieser Fahrt erzählen kann, sind kaum zu glauben, aber er erwähnt sie so nebensächlich und gut gelaunt als wäre es nichts Besonderes. Glücklicherweise überlebte er die lange Fahrt, in der er sich auf einem winzigen Boot mit 60 Anderen drängte, das nur knapp einem Orkan entkam und schließlich die Nordküste Australiens erreichte.
Dort wurde er vorerst in ein Flüchtlingslager gesperrt, in dem er anfing, sich Englisch beizubringen. Er war ein studierter Mann und außerdem qualifizierter Milchfarmer, weswegen er nicht allzu lang dort bleiben musste, jedenfalls nicht verglichen zu einigen armen Seelen, die als „unskilled labourers“ schon jahrelang darauf hofften, mit einem Visum akzeptiert zu werden. Bald darauf verschlug es ihn nach Tasmanien, wo er anfing, Englischkurse zu besuchen. Außerdem fand er einen Job auf der Farm, auf der ich später selbst angestellt wurde.
Als ich Masoud kennenlernte, hatte er also erst vor knapp zwei Jahren mit dem Englischlernen begonnen, und beherrschte die Sprache trotzdem schon recht flüssig. Um mit dem Slang klarzukommen, der im Umkreis von Farmen immer unverständlicher wird, hatte er sich eine App auf sein Handy geladen, die eine Liste australischer Redewendungen alphabetisch aufführte.
Mein amerikanisch/deutscher Kollege Max und ich machten uns einen Spaß daraus, die Liste jeden Tag ein Stückchen weiter durchzulesen. Es war ein besseres Abendprogramm als jede Fernsehserie und meistens lustiger als jede Comedy.
Der Tag, an dem wir bei „j“ auf der Liste ankamen, sollte unser Farmleben verändern. Nichts ahnend machten wir uns über einige einfache Slangwörter lustig, ohne zu wissen, welch großartige Deformation englischer Sprache uns jeden Moment begegnen sollte.
„‘by jingoes‘“, las Max, „Ausdruck der Überraschung, erstaunter Ausruf“. Wir schauten uns einen Moment lang an und begannen dann, unkontrolliert zu loslachen. Es war die Art explosiven Lachens, das einen lawinenartig überrollt und durch reine Willenskraft nicht mehr zu stoppen ist.
„by.. by JINGOES!“, japste ich und hielt mir meine schmerzenden Bauchmuskeln.
Im Nachhinein sehe ich ein, dass es vielleicht nicht ganz so lustig war, wie ich zu dem Zeitpunkt dachte. Aber wenn man tagelang 12 Stunden pro Tag zwischen nervigen Kälbern und stinkenden Kühen in pausenlos nasser Kleidung verbracht hat und abends versuchen muss, so schnell wie möglich die angetrocknete Kuhscheiße unter einer eiskalten Dusche von der Haut zu schrubben, kann es schonmal passieren, dass sich die Grenzen verschieben zwischen „das ist ein Hochziehen der Mundwinkel wert“ und „unkontrollierter Lachanfall“.
Nach diesem Abend hatten wir kein Problem mehr mit Namensgebungen. Wir hatten schon seit einiger Zeit nach einem Namen für unseren stilvollen Farm-Ute gesucht - ein vollkommen verdreckter Pickup-Truck mit Kuhknochen auf der kaputten Ladefläche und im Fußraum. Von jetzt an hieß er „Jingo“.
Außerdem machte ich unser Standard-Farmessen unter meinen Freunden in der Stadt als „Jingo Pot“ bekannt. Im Prinzip ist der Jingo-Pot einfach nur jegliche Kombination aus in der Pfanne gebratenem Gemüse mit billigen Proteinen und Kohlehydraten.
Wenn es ein Problem gab, konnte man sagen „frag Jingo“ und wenn etwas schieflief, konnte man sicher sein, einen lautes „by jingoes!“ zu hören.
Jingo wurde Teil des Farmlebens.